Der Pferde-Touble
Aus der Revolutionszeit 1794Philipp Jacob Breuchel,1) der Gimmeldingen Gerichtschreiber jener Zeit, hat in seinen Aufzeichnungen auch einige Ereignisse aus benachbarten Dörfern festgehalten, die, wie er meinte, „verdienen, allhier, zum ewigen Andenken, niedergeschrieben zu werden.“
So hielt er auch eine Geschichte über Mußbach in seinen Notizen fest, bei der in einer Nacht im April 1794 acht der schönsten Artilleriepferde der französischen Besatzung von Mußbach gestohlen wurden. Der daselbst gelegen General der Kavallerie, Le Grand, „hat deswegen sogleich, bey Tagesanbruch, als ihm selbiges gemeldet wurde, die ganze Gemeinde arretiert und in dasigem Herrnhof, Auf dem Rathaus und in der Schulstube, gefänglich verwahren lassen, mit der Drohung: Dass, wenn diese Pferde nicht herbei geschafft würden, Er 50 Bürger als Geißel nach Frankreich abführen und das ganze Ort in Brand stecken wollte."
Der Argwohn dieses Generals ging so weit, dass er den Informator der Brastbergischen Kinder, Johann Martin Breuchel, M: Canid: als Arrestant einzog.
Die umliegenden Ortschaften mussten genau nachprüfen, ob die sämtliche Einwohnerschaft einheimisch war. Sie mussten Feld und Wald nach den Pferden durchsuchen und ihren Bericht darüber an den General einsenden.
Nach vier Tagen, bei Tagesanbruch, hat man auf den Königsbacher Wiesen drei solcher Pferde wieder gefunden. Sie wurden dem General gebracht um zu beweisen, dass sie allenfalls entlaufen seien, nicht aber gestohlen.
Er nahm aber keine Rücksicht darauf sondern setzte für Mußbach eine Brandsehatzung von 11 000 Gulden an, behielt fünfzig der besten Bürger in Verwahrung und ließ die andern frei, damit die Kontributionsgelder herbeigeschafft werden konnten. „Sie opferten demnach all ihr vorrätiges Geld auf, Ein jeder lehnte auch was er bekommen konnte und brachten daher ein Capital von 3.500 fl (Gulden) zusammen, welches Sie denn General Le Grand in den Ordenshof lieferten, mit der dringenden Vorstellung, dass dieser ihr letzter Heller seye, den Sic aufzutreiben vermogten, Er möge deswegen die Bürgerschaft frei lassen, allein Er bestand darauf, dass Er vier der ersten Bürger nachher Landau abfahre, biss diese Summe entweder entrichtet oder die annoch fehlenden fünf Pferde herbei geschafft würden.“
Die Gemeinde musste geschehen lassen, dass am 27. April 1794 die Bürger Georg Michel Guth, als provisorischer Maire (Bürgermeister), Bürgermeister (Einnehmer) Hellmer, dessen Bruder Georg Friedrich Hellmer und der Biersieder Christian Fischer auf einem Karren nach Landau ausgeliefert wurden. Die Gmeinde wollte gerne Pferde kaufen, allein man wollte ihnen keine Passe geben, damit sie überm Rhein welche beschaffen konnten. Endlich bewog sich der General sie vor die Vorposten hinaus passieren zu lassen, „wo dann einige Deputierte nach Mannheim gingen und fünf der schönsten Pferde erkauften, welche auch bei ihrer Ankunft von dem General en Chef Michor, der in Kirrweiler sein Hauptquartier hatte, vor dienstfähig anerkannt wurden.“
Er ließ zunächst, auf die Vorspreche des provisorischen Maiores, des Krappfabrikanten Brastberger, zwei der Geiseln frei, nämlich den Einnehmer Hellmer und den Biersieder Fischer.Die Gemeinde kaufte nochmals zwei Pferde. Damit wollte man dem General en Chef ein Präsent machen, um ihn zu bewegen, die beiden Arrestanten ebenfalls laufen zu lassen.
„Da aber solche Pferde in des H: Brastbergers Behausung ankamen, so wurde den Tag darauf die franz. Armee zurück gedrückt, wo dann diese Pferde abermahlen heimlich gestohlen worden.“
Bei dem Rückzug der Franzosen aus Landau nahmen diese auch die Geiseln mit. Aber Guth und Hellmer gelang es dabei aus ihrer Gefangenschaft zu entfliehen. Sie begaben sich zuerst nach Niederhochstadt. Von dort wagte es Georg Michel Guth durch die Vorposten nach Mußbach zurückzukehren. „Gg. Fridrich Helmer ist aber bis daher noch nicht angekommen - Was dieser für ein Schicksal hat, wird die Zeit lehren", berichtete Breuchel.
Aus einer später angebrachten Notiz ist aber zu entnehmen, dass auch er nach einiger Zeit wieder angekommen war.
1) Philipp Jacob Breuchel, geboren am 18.3.1733 in Gimmeldingen, Sohn des Schulmeisters Johann Andreas Breuchel, hatte man 1793 als der bisherige Gerichtschreiber vor den Franzosen geflohen war, zum Gerichtschreiber in Gimmeldingen ernannt. Breuchel war kaiserlicher Notar und brachte 1781 die Schrift heraus:“Breuchels umständliche und gründliche Beschreibung des edlen Weinstockes - nach der Bauart des Kernes von Churpfalz als Neustadt, Gimmeldingen, Haardt, Mußbach und Königsbach.“
Vorher schon sandte er an die Kurpfälzische Akademie der Wissenschaften in Mannheim eine Preisschrift über den damals massenhaft auftretenden Rebenschädling „Rebensticher" ein, wofür er eine Belobigung erhielt (Bilfinger, „Gimmeldinger Familiennamen im Wandel der Zeit", 1934).
Reinhold Schneider, 2009